„Klimaschutz in den Kommunen braucht eine Kümmerperson“

„Klimaschutz in den Kommunen braucht eine Kümmerperson“

DAS GP JOULE-MAGAZIN NR. 15 / JANUAR 2024

Den politischen Rahmen für die Sektorenkoppelung setzt der Bund – die Umsetzung findet aber vor allem in den Kommunen statt. Wie weit sind die Landkreise, Städte und Gemeinden hier schon gekommen? Worauf sollten sie bei der Verknüpfung von Strom, Wärme und Mobilität achten? Über diese und weitere Fragen sprechen Ryotaro Kajimura von der Agentur für Erneuerbare Energien sowie Chrissy Lind und Rupert Wronski von der Deutschen Umwelthilfe mit JAMES.
 

Wo stehen die Kommunen heute bei Klimaschutz und Sektorenkopplung?

Wronski: Man kann leider nicht pauschal sagen, dass die Kommunen schon voll auf Kurs sind. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Landkreisen, die etwa die Strom- und Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien kräftig ausbauen. Viele Großstädte dagegen hinken gerade bei der Transformation der Wärmeversorgung stark hinterher. Und beim Verkehr passiert praktisch überall zu wenig.

Kajimura: Viele Kommunen sind bereits auf einem guten Weg, einige davon sind auch schon richtig weit gekommen. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch zahlreiche Landkreise, Städte und Gemeinden, die noch ganz am Anfang sind. Dort mangelt es vorne und hinten an Kapazitäten, sich strategisch mit Klimaschutz und Sektorenkopplung zu befassen – und leider mitunter auch an Rückhalt in der Bevölkerung.


Wie macht sich das konkret bemerkbar?

Kajimura: Manche Kommunen haben nicht genug Mitarbeitende oder Finanzmittel, um Projekte der Sektorenkopplung anzustoßen oder umzusetzen. Das liegt dann häufig daran, dass sie wirtschaftlich schlecht dastehen, dass andere Aufgaben die Ressourcen binden oder auch daran, dass der politische Wille einfach nicht groß genug ist. Oft fehlt es auch an einer Person in der Verwaltung, die das Thema vorantreibt. Dabei bekommen Kommunen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative NKI Fördermittel des Bundes, wenn sie eine solche Stelle schaffen.


Wo liegen Ansatzpunkte, solche Hürden zu überwinden?

Wronski: Ein ganz wichtiger Punkt ist hier, mit anderen Kommunen zu kooperieren. Heute enden die Klimaschutzaufgaben in den Augen der lokalen Akteure oft noch an den Verwaltungsgrenzen. Dadurch geraten häufig Schnittstellen aus dem Blick. Vor allem mit Blick auf die Stadt-Umland-Beziehungen bleiben so viele Synergiepotenziale ungenutzt. Denn Stadt und Umland ergänzen sich in puncto Energieerzeugung und -verbrauch perfekt. Da könnten beide Seiten sehr profitieren. Allerdings braucht es dafür natürlich vor Ort den entsprechenden politischen Willen – und auch die entsprechenden Kapazitäten in den Verwaltungen.aWo liegen Ansatzpunkte, solche Hürden zu überwinden? Wronski: Ein ganz wichtiger Punkt ist hier, mit anderen Kommunen zu kooperieren. Heute enden die Klimaschutzaufgaben in den Augen der lokalen Akteure oft noch an den Verwaltungsgrenzen. Dadurch geraten häufig Schnittstellen aus dem Blick. Vor allem mit Blick auf die Stadt-Umland-Beziehungen bleiben so viele Synergiepotenziale ungenutzt. Denn Stadt und Umland ergänzen sich in puncto Energieerzeugung und -verbrauch perfekt. Da könnten beide Seiten sehr profitieren. Allerdings braucht es dafür natürlich vor Ort den entsprechenden politischen Willen – und auch die entsprechenden Kapazitäten in den Verwaltungen.


Was sind typische Fragen, mit denen sich Kommunen an das Forum Synergiewende wenden?

Lind: Momentan treibt sie sehr stark die kommunale Wärmeplanung um. Unter anderem suchen sie nach Praxisbeispielen, die zeigen, wie die Planung andernorts schon umgesetzt wurde. An einem Webseminar zum Thema nahmen kürzlich 460 Personen, die hauptsächlich aus dem kommunalen Bereich kamen, teil. Das zeigt deutlich, wie groß der Informationsbedarf hier ist. Und auch die Mobilitätswende brennt den Kommunen unter den Nägeln. Da geht es dann nicht nur um den Umstieg auf die Elektromobilität, sondern auch um neue Verkehrskonzepte, etwa mit einer Stärkung von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Zahlreiche Fragen beziehen sich zudem auf das Thema Energy Sharing, also die Beteiligung an EE-Projekten und die vergünstigte Nutzung des vor Ort produzierten Stroms. Da wollen viele von ihnen aktiv werden – wobei die Initiative häufig von Bürger*innen, etwa von Genossenschaften, ausgeht.

Wronski: Das Interesse am Energy Sharing ist vor allem deshalb so groß, weil Bürger*innen und Kommunen erkannt haben, dass sie damit die lokale Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien steigern und die Wertschöpfung in der Region erhöhen können. Auch die Einwohner* innen profitieren, weil sich damit die Strompreise reduzieren lassen. Allerdings muss der Bund für Energy Sharing noch den rechtlichen Rahmen anpassen. Dieser Prozess läuft gerade.

Kajimura: Die Pflicht zur Wärmeplanung bedeutet für die Kommunen einen Riesensprung, da das Thema Heizen auch eine soziale Dimension hat. Da geht es um das Geld der Einwohner*innen, um ihr Eigentum, um Fragen wie: Wer kann sich welche Investition leisten? Das hat große Sprengkraft, wie wir ja auch in der Debatte um das Gebäudeenergiegesetz gesehen haben. Die Kommunen haben deshalb oft viel Respekt vor diesem Thema. Entsprechend groß ist ihr Informationsbedarf, etwa was die Handlungsmöglichkeiten betrifft.


Wie sollten Kommunen vorgehen, wenn sie Energiewende-Projekte aufsetzen wollen?

Lind: Es empfiehlt sich, zunächst einmal eine Bestandsaufnahme zu machen: Was hat die Kommune für einen Energiebedarf ? Wie ist die Situation in den Quartieren? Wo sind Potenziale für die Erneuerbaren? Dann gilt es, konkrete Ziele zu definieren. Und, ganz wichtig: Es braucht in der Verwaltung eine Kümmerperson, die die Prozesse vorantreibt. Zudem muss die Vernetzung mit den Akteur*innen vor Ort von Anfang an mitgedacht werden, auch um die Bürger*innen einzubeziehen. Sie sollten nicht nur ideell hinter den Vorhaben stehen, sondern auch direkt daran teilhaben.

Kajimura: Ja, es braucht unbedingt eine Kümmerperson, die die Vorhaben mit den nötigen Ressourcen, mit Überzeugungskraft und Leidenschaft vorantreibt und die relevanten Leute ins Boot holt. Und was die Maßnahmen betrifft: Man sollte nicht gleich eine Riesenrevolution starten, also nicht gleich alles auf einmal umwälzen wollen. Vielmehr empfiehlt es sich, erst einmal kleinere und größere Maßnahmen zu verbinden – also solche, die weniger investiv sind, sich aber wirtschaftlich und vom Klimaschutzeffekt her schnell amortisieren, mit solchen, die viel Invest brauchen und sich erst über Jahre rechnen. So kommt man schnell zu kleineren Erfolgen, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren.


Die Sektorenkopplung hat unter anderem das Ziel, die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu vermeiden. Was können Kommunen hier tun?

Lind: Kommunen könnten zum Beispiel dafür sorgen, dass vermehrt überschüssiger Strom für die Wärmeversorgung genutzt wird. Ist der Bedarf an Wärme gerade gering, lässt sie sich gut speichern. Das bringt Flexibilität in das Stromsystem – und passt zugleich perfekt zusammen mit dem Bedarf an erneuerbaren Energien im Wärmesektor. An der Wirtschaftlichkeit solcher Strom-Wärme-Anwendungen nagt allerdings, dass die Stromabnehmer*innen als Letztverbraucher*innen gelten, so dass sie in den meisten Fällen die ganze Abgabenlast, die im Strompreis enthalten ist, also alle Steuern und Umlagen sowie die Netzentgelte, tragen müssen. Das muss der Bund dringend reformieren! Denn die Kommunen und Stadtwerke könnten solche Konzepte wunderbar umsetzen. Sie kennen die Wärmebedarfsprofile vor Ort genau und wissen, wie sich das Stromangebot in der Region über die Zeit entwickelt. Die Leute dort sitzen in den Startlöchern, können ihre Projekte aber auch wegen dieser hohen Abgabenlast nicht umsetzen.


Was sollte der Bund, was sollten die Länder noch tun mit Blick auf die Sektorenkopplung in den Kommunen?

Wronski: Sinnvoll wäre zum Beispiel, dass Bund und Länder Förderungen, die sie den Kommunen generell für Klimaschutzmaßnahmen gewähren, mit einem aussagekräftigen, verpflichtenden Monitoring unterlegen. Etwa bei Mitteln für die Umsetzung der Wärmeplanung: Fördermittel sollen nur diejenigen bekommen, die nachweisen, dass sie auch tatsächlich CO₂ einsparen. Zudem bekommen wir auf unseren Veranstaltungen sehr häufig gespiegelt, dass beim Netzausbau viel zu wenig passiert. Immer wieder ist zu hören, dass die Netze einfach zu voll sind, um weitere Anlagen anschließen zu können. Das Problem muss auf Bundesebene gelöst werden, beispielsweise durch die Regulierung von Anreizen für die Betreiber der Verteilnetze, damit nicht ein kleinteiliger Flickenteppich entsteht.

Forum Synergiewende

Das Forum Synergiewende wird von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geleitet und vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Es unterstützt Kommunen dabei, Projekte zur Sektorenkopplung auf den Weg zu bringen – mit Veranstaltungen, Informationsmaterialien und Öffentlichkeitsarbeit genauso wie durch die Vernetzung von Akteuren. Das Angebot richtet sich nicht nur an kommunale Vertreter, sondern auch an in diesem Bereich tätige Unternehmen und Bürger-Energiegenossenschaften.

Ryotaro Kajimura

Projektleiter Forum Synergiewende (AEE), Schwerpunkt Kommunikation

Rupert Wronski

Stellvertretender Leiter Kommunaler Umweltschutz (DUH), Schwerpunkt Photovoltaik

Chrissy Lind

Projektleiterin Forum Synergiewende (DUH), Schwerpunkt Wärmepumpe