Wer sich jetzt sorgen sollte

Wer sich jetzt sorgen sollte

DAS GP JOULE-MAGAZIN NR. 15 / JANUAR 2024

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Klima- und Transformationsfonds: Wie die Finanzierung der Transformation von Unternehmen und Wirtschaft weitergehen muss. Eine Einordnung von Ove Petersen.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 fehlen dem Klima- und Transformationsfonds und damit dem Bundeshaushalt 60 Milliarden Euro. Seitdem herrscht in allen Teilen der Wirtschaft und Industrie, die sich auf den Weg Richtung Klimaschutz gemacht haben, große Unsicherheit. Was dabei untergeht: Nicht nur die Schuldenbremse, auch der Klimaschutz hat Verfassungsrang – und beides ließe sich leicht vereinbaren.

Es gibt ein Recht der Menschen in Deutschland auf Klimaschutz – und eine Pflicht des Staates, diesen entschlossen zu betreiben. Das hat das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren bekräftigt. Dass das gleiche Gericht entschieden hat, dass die Schuldenbremse einzuhalten ist und dass die Bundesregierung Kreditermächtigungen zur Bewältigung einer Notlage nicht einfach in einen anderen Fonds umschichten und über mehrere Jahre nutzen darf, ändert nichts an diesem Gebot zum Klimaschutz.

Und natürlich geht auch beides gut zusammen. Denn sowohl die Einhaltung der Schuldenbremse als auch der Klimaziele werden im Kern gleich begründet: Wir dürfen die Lasten nicht einfach auf nachfolgende Generationen abwälzen, weder die Schulden noch die Eindämmung des Klimakatastrophe.

Nun stellt sich die Frage: Wie verbinden wir das Ziel Klimaschutz mit der Vorgabe, keine zu hohen Schulden zu machen? Die Antwort: Es muss alles wegfallen, was beiden Zielen zuwiderläuft. Insbesondere die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen, die sich vom Dieselprivileg bis zur Energiesteuerbefreiung auf Flugkerosin laut Umweltbundesamt auf jährlich 65 Milliarden Euro summieren, müssen so weit wie möglich gestrichen und die freiwerdenden Mittel zur klimafreundlichen Transformation genutzt werden. Damit muss die Wende hin zu den Technologien, Arbeitsplätzen und zur Energieversorgung der Zukunft gestemmt werden.

Wir brauchen die Wasserstoffproduktion, die Elektrolyse, um die Erneuerbaren ins Energiesystem zu integrieren. Dafür brauchen wir einen starken Maschinenbau und natürlich den weiteren Zubau an Wind- und Solarenergie, um uns günstig und nachhaltig mit Energie zu versorgen. Wir brauchen dekarbonisierte Prozesse, um die Industrie resilient und zukunftsfähig aufzustellen. Und wir brauchen Investitionen auf der Verbraucherseite: in die Herstellung von grünem Stahl, in klimafreundlichen Treibstoff für den Flugund Schiffsverkehr oder Wasserstoff für den Schwerlastverkehr. Andernfalls fehlen die Abnehmer für grüne Energie.

Was den Standort Deutschland sichert, sind die erneuerbaren Energien, die Transformation der Industrie und die Dekarbonisierung aller Sektoren. Davon profitieren die Unternehmen und das Land viel länger und nachhaltiger als beispielsweise vom Dieselprivileg, das eine Technologie stützt, die uns bald eh niemand auf der Welt mehr abkauft.

Sorgen sollten sich jetzt also nicht die Unternehmen, die den Wandel hin zur fossilfreien Wirtschaft vorantreiben. Sorgen sollten sich jene, die von klimaschädlichen Subventionen abhängen.

Denn nicht mehr in den Klimaschutz zu investieren, ist genauso verfassungswidrig wie die Nichteinhaltung der Schuldenbremse oder der Haushaltsregeln. Und die nächste Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe liegt schon vor. Der Vorwurf: Die Regierung hält sich nicht an das eigene Klimaschutzprogramm.

Ove Petersen

Ove Petersen ist Mitgründer von GP JOULE und CEO der 2009 gegründeten Unternehmensgruppe. Regional als auch auf Bundesebene wirkt der gelernte Landwirt und studierte Diplom-Agraringenieur in Verbänden, Arbeitsgruppen und auf unterschiedlichen Plattformen mit, etwa als Vorstandsmitglied im Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein und im Beirat der Hannover Messe, der internationalen Plattform für Technologie und industrielle Transformation.